November 2009

Zwei Tage im Leben eines Freiwilligen

Alles hat an einem ganz normalen Dienstagabend angefangen, als Alberto beim Spielen mit Faustin auf den Kopf gefallen ist. Er hat zunächst einen ganz normalen Eindruck gemacht, aber dann hat er angefangen zu fragen, was passiert ist, wo er ist und wieso er hier ist. Da er anscheinend überhaupt keine Erinnerungen an die letzten Tagen hatte, haben wir versucht, eine Krankenschwester, die hier ganz in der Nähe wohnt, zu holen, sie war jedoch nicht zuhause. Als ich mit Amadeus und Albert wieder von dem Haus der Krankenschwester zurückgekommen bin, hat mir Moses gesagt, ich soll das kleine Auto vor dem Haus parken. Anschließend bin ich mit Moses, Amadeus, Elena und Alberto in die secondary school gefahren, wo bereits eine Krankenschwester auf uns gewartet hat. Sie hat kurz mit Alberto geredet und dann veranlasst, dass ein Arzt kommt. Als der Arzt endlich ankam, war in etwa eine halbe Stunde vergangen. Nun hat Alberto eine Spritze bekommen und die Schwester hat uns Schlaftabletten mitgegeben. Zuhause bei den Brüdern haben wir dann erst mal etwas gegessen und anschließend den sich in seinen Fragen dauernd wiederholenden Alberto ins Bett gesteckt. Jedoch musste ich schon kurze Zeit später feststellen, dass die Schlaftabletten nicht sehr gut waren, denn Alberto ist alle zehn Minuten aus seinem Zimmer gekommen und hat begonnen, mir seine Situation zu erklären und mich zu fragen, was passiert sei, denn er könne sich an nichts erinnern. Letzten Endes war ich um zwei Uhr morgens selbst im Bett, nur um am nächsten Morgen todmüde um sieben Uhr aufzustehen und einen sich an nichts erinnernden Alberto zu treffen. Nach dem Frühstück bin ich mit Babu Driver, Mark und Amadeus in Richtung Arusha losgezogen. Noch bevor wir Same erreicht hatten, ist schon die erste Panne passiert. Babu Driver, den man meiner Meinung nach eigentlich auf keinen Fall ein Auto fahren lassen sollte, da er zu alt ist, schlecht sieht und so klein ist, dass er kaum über das Lenkrad schauen kann, hat einen Speed Bumper übersehen. Speed Bumpers sind die Hügel auf der Straße, die dafür sorgen sollen, dass die Autos langsam fahren. Es gibt sie eigentlich in jeder Ortschaft und vor Baustellen. In unserem Fall war es ein provisorischer vor einer Baustelle, der ca. 40cm. hoch war. Babu Driver ist also deutlich zu schnell über diesen Speed Bumper gefahren und dabei sind Bretter die auf dem Dach unseres Landcruisers schlecht befestigt waren nach vorne auf die Motorhaube und dann auf die Straße geschossen. Nachdem wir die Bretter wieder befestigt hatten, haben wir Brother Valerian und einen Gast in Same eingesammelt und sind weiter nach Arusha gefahren. Hier haben wir alles Mögliche erledigt, was es so zu erledigen gibt. Anschließend sind wir zur Watoto Foundation, ein Straßenkinderprojekt in Arusha, gefahren und haben erstmal gegessen und Mark und ich haben von einem Betreuer eine Führung über das Gelände bekommen. Inzwischen war der Tag schon fast vorbei und wir hatten nur noch das zu erledigen, weswegen wir eigentlich nach Arusha gekommen waren. Wir mussten zwei Italiener vom Flughafen abholen, die nur Alberto kannte. Zumindest kannte er sie, bevor er auf den Kopf gefallen war. Kurz vor dem Flughafen hat Babu Driver ein Auto übersehen, sodass ich beim Abbiegen ein Auto direkt auf mich zukommen sah, das gerade noch so eine Vollbremsung hingelegt hat. Glück gehabt, denn voll funktionierende Bremsen sind eher die Ausnahme als die Normalität. Mein Herz hat aber hörbar funktioniert und das auch noch eine Minute später. Der Kilimanjaro Airport ist so klein, dass wir die Italiener sofort gesehen haben, und wir konnten also endlich die vierstündige Heimreise um 19:30 beginnen. Inzwischen war es dunkel geworden und die Speed Bumper waren umso schlechter zu sehen. Im letzten Augenblick habe ich aus dem Blickwinkel den gesehen, der mit ca. 80km/h auf mich zukam. Es war aber zu spät und ich konnte mich nirgendwo mehr festhalten. Der Landcruiser ist also mitsamt seinem Inhalt nach oben geflogen, aber während der schwere Landcruiser wieder nach unten gegangen ist, ist der Inhalt oben geblieben. Leider bin ich nun auch nicht gerade der Kleinste und das hat dafür gesorgt, dass mein Kopf schmerzliche Bekanntschaft mit dem Metalldach gemacht hat. Am nächsten Morgen war aber von alledem nur noch ein stark verspanntes Genick übrig. Inzwischen kann sich Alberto wieder an alles erinnern, von dem Abend des Sturzes abgesehen.

In den Bergen

Ein paar Tage später bin ich in die Berge gegangen, um für drei Wochen in Kwamomo, einem kleinen Bergdorf, zu leben. Dort habe ich sehr die Gastfreundschaft von Mzee Filbert Majaliwa genossen. In diesen drei Wochen habe ich nicht sehr viel gearbeitet, aber enorm viel gelernt, so dass ich heute mit Stolz sagen kann, ich kann mich auf Kiswaheli verständigen. Ein typischer Tag sah hier wie folgt aus: Ich bin zwischen sieben und acht Uhr aufgestanden und zum Frühstück gab es entweder Pfannkuchen oder geröstete Erdnüsse mit sehr süßem Tee. Nach dem Frühstück habe ich entweder Bäume gepflanzt oder bin einfach auf meinem Bett gelegen, habe entweder gelernt, oder gelesen. Manchmal bin ich auch bis zu einem kleinen Felsen gelaufen, von dem aus man über das gesamte Tal sehen kann, bis am Horizont wieder Berge zu sehen sind. Zwischen zwölf und ein Uhr gab es Mittagessen, entweder Ugali, Makande oder Wali. Auf deutsch heißt das, es gab entweder Maisstärke mit Wasser zu einer teigartigen Substanz gekocht oder Mais mit roten Bohnen oder ganz einfach Reis. Dazu gab es normalerweise Spinat oder eine rote Soße, die es hier überall gibt und die immer gleich schmeckt. Nachmittags habe ich wieder das Gleiche gemacht wie vormittags. So gegen vier Uhr habe ich mich gewaschen, in einem Raum, der aus Betonwänden, Betonboden, einem Fenster und einer Tür bestand. Dafür habe ich jedes Mal einen Eimer warmes Wasser bekommen. Anschließend habe ich mich entweder mit den Menschen unterhalten oder jemanden besucht. Dann war es auch schon acht Uhr und Zeit für das Abendessen. Es gab wieder das Gleiche wie zum Mittagessen. Danach bin ich sofort ins Bett gegangen.

Die Menschen in den Bergen waren alle sehr freundlich und zuvorkommend. Am meisten hatte ich mit denen zu tun, mit denen ich zusammen gewohnt habe. Mzee Filbert, mein Gastgeber, hatte viel zu tun und war nicht sehr oft da. Wenn er jedoch da war, habe ich mich sehr gerne mit ihm unterhalten. Außerdem war natürlich Bibi da, die Schwester von Filberts Frau, die, während ich in den Bergen war, in Dar Es Salaam bei Filberts ältester Tochter war. Bibi hat in der Zeit ihrer Abwesenheit den Haushalt geführt. Sie hat gekocht, geputzt und alles getan, was es eben so zu tun gibt. Sie konnte überhaupt kein Englisch, was mich gezwungen hat, Kiswaheli zu lernen. Sie hatte immer mal wieder Hilfe von ihrer Großnichte Biana. Biana ist 18 und kann sehr gut englisch sprechen. Sie war eigentlich meine Lehrerin. Ich war öfters mal abends bei ihrer Familie zum Teetrinken oder einfach nur, um Hallo zu sagen. Bei Mzee Filbert haben auch zwei Jungen gewohnt, Johanne, 14, und Lazarro,10. Mit ihnen hab ich mich auch sehr gut verstanden und manchmal mit ihnen Karten oder Fußball gespielt. Sie haben tagsüber entweder auf dem Feld gearbeitet oder sich um die Tiere gekümmert. Johanne hat aber, als seine Ferien vorbei waren, vormittags die Schule besucht.

Ich habe auch immer mal wieder kleinere Unternehmungen mitgemacht, z. B. war ich auf der Graduation Feier einer katholischen Pre-Secondary-School. Hier hatte ich die Gelegenheit, den Administrator der Diözese Same kennenzulernen.

Nach drei Wochen bin ich dann morgens mit dem Bus zurück nach Hedaru gefahren. Zuhause angekommen war ich vollkommen nass, da es in den Bergen drei Wochen lang für hiesige Verhältnisse angenehm kalt war und ich nicht mehr an die Hitze in Hedaru gewöhnt war.

Dar es Salaam

Am nächsten Tag bin ich zusammen mit Elena und Moses nach Dar gefahren, um mein Visum und einen Italiener vom Flughafen abzuholen. Bei dieser Gelegenheit habe ich für drei Tage im Priesterseminar Segerea wohnen können, in dem ich auch gewohnt habe, als ich mit Vater Novatus hier angekommen bin. Es war eine schöne Erfahrung, die Priester wieder zu treffen und festzustellen, dass ich alles, was ich bei meinem ersten Aufenthalt dort noch als normal betrachtet habe, jetzt als absoluten Luxus sehe. In Dar es Salaam habe ich mich auch einen Vormittag mit einem Freund aus Deutschland getroffen, um ein paar Erfahrungen auszutauschen. Nach drei Tagen bin ich jetzt nach Hedaru zurückgekommen und hatte auch schon Zeit, mich hier wieder einzuleben.

Kultur & Menschliches


Am Anfang meines Aufenthaltes in Afrika habe ich mich hier zwar in Ordnung gefühlt, war jedoch im Nachhinein ein wenig isoliert von Menschen und Kultur hier. Das hatte Ursachen wie zum Beispiel mangelnde Sprachkenntnisse oder auch mangelnde Kulturkenntnisse. Zwar spreche ich Kiswahili immer noch nicht einmal halbwegs flüssig, aber ich kann mich immer besser verständigen. Aufgefallen ist mir alles das jedoch erst, als ich aus den Bergen zurückgekommen bin und schon im Bus alle Menschen plötzlich anders zu mir waren und wahrscheinlich auch ich ihnen gegenüber viel offener und auch viel selbstbewusster begegnet bin. Dadurch habe ich plötzlich die Maske des Mzungus(Europäers) verloren, habe mich aus der Rolle des Touristen befreit und wurde als voller Mensch akzeptiert. Ich habe mich schon an diesem Tag gefühlt wie neu geboren in mein neues afrikanisches Leben und obwohl ich die Euphorie, die ich anfangs hatte, natürlich wieder abgelegt habe, habe ich jetzt viel mehr das Gefühl, hier zu Hause zu sein und fühle mich sehr wohl hier. Ich konnte auch meine Beziehung zu den Brüdern verbessern. Ich habe inzwischen das Gefühl, dass das Jahr, das ich hier verbringen werde, ein Erfolg wird. Allerdings habe ich keine Zweifel, dass es auch weiterhin immer wieder Probleme geben wird, die ich lösen muss, auch wenn es schwer fällt.