Oktober 2009

Um den Anfang wirklich zu beschreiben, muss ich ca. sechs Wochen vor dem Abflug nach Tansania beginnen. Ich hatte gerade mein Abitur bestanden und den Stress der Schule hinter mir, als auch schon sechs Wochen gut durchgeplanter Stress vor mir standen. Kurz gesagt, ich hatte die Aufgabe, durchaus nicht unwesentliche Teile an einem Umzug eines Vier-Personen-Haushaltes zu leisten und mitzuhelfen, dass pünktlich zu Beginn der Schulzeit das neue Haus weitgehend benutzbar ist. Außerdem musste ich den praktischen Teil eines Motorradführerscheins machen und durfte auf keinen Fall durch die Prüfung fallen, da mir am Tag darauf alle vier Weisheitszähne herausoperiert wurden. Diese Operation hat mich auch nochmal eine knappe Woche außer Gefecht gesetzt. In diesen sechs Wochen musste ich mich jedoch auch auf Afrika vorbereiten, denn dazu hatte ich in der Zeit des Abiturs keine Zeit gefunden. Unter Vorbereitung verstehe ich in diesem Fall jedoch nicht nur die Planung und das Packen, sondern auch Dinge wie das Knüpfen wichtiger und später vielleicht hilfreicher Kontakte in Deutschland und das Verabschieden von Freunden, Familie und Bekannten. Durch die Gegebenheit, dass ich sozusagen zwei Familien habe und diese auch noch ca. 3 Stunden mit dem Auto auseinander liegen, habe ich auch sehr viel Zeit im Auto verbracht. Und genau vor diesem Hintergrund bin ich also am Mittwoch, den 16. September, von Zürich zusammen mit einem Professor für Theologie, der eine wichtige Rolle in der Partnerschaft zwischen der Kirchengemeinde Schwenningen und den Brüdern in Hedaru spielt, Vater Novatus, nach Dar-Es-Salaam geflogen.

Die erste Woche habe ich dann in einem Pristerseminar in Dar-Es-Salaam mit dem Namen Segerea verbracht. Ich habe dort auch wirklich nichts anderes gemacht als geschlafen, gegessen und ein wenig in Kisuaheli-Kauderwelsch herum geblättert. Nur einen Tag habe ich mit den Schülern, die vom Priesterseminar in Moshi zu Besuch waren, die TBC Zentrale besucht, da ich selbst noch nie in den Studios und Sendeanlagen eines Fernsehsenders war. Allerdings war ich bei diesem Ausflug eigentlich viel zu müde, um dieses historische Museum, was es aus europäischer Sicht vielleicht wäre, richtig zu würdigen. Trotz allem fand ich es sehr interessant.

Nach dieser ersten Woche bin ich zusammen mit Bruder Moses, der einfach plötzlich vor mir im Essensraum stand, und den beiden Italienern, die zwei Tage zuvor von Italien zurück gekommen waren, nach Hedaru gefahren. Hier bin ich jetzt seit einem Monat und kann durchaus sagen dass ich mich inzwischen gut eingelebt habe. In den ersten Tagen, die ich hier war, war es natürlich schon eine deutliche Umstellung, aber schon nach einer Woche hab ich mich ganz gut damit zurecht gefunden, in einer Brüdergemeinde zu leben. Ich habe auch sofort eine kleine Kung Fu-Gruppe zusammenbekommen, mit der ich jetzt bis zu viermal die Woche trainiere, was sowohl mir als auch den anderen ganz gut tut. Gearbeitet habe ich eigentlich bisher nur in Mabilioni, aber ich habe auch viel Zeit damit verbracht, mich mit der weiteren Umgebung bekannt zu machen. So kenne ich inzwischen zum Beispiel die Bergdörfer Kwamomo und Bwambo. Wahrscheinlich werde ich den November in Kwamomo verbringen, um erstens Afrika von einer anderen Seite kennenzulernen und um zweitens natürlich die Landessprache besser zu lernen, da hier in Hedaru doch einige, vor allem die Brüder, englisch sprechen. Außerdem habe ich auch Same öfters besucht und kenne auch schon Moshi und Arusha, die zwei größten Städte hier in der „Nähe“. In Arusha ist die Watoto Foundation, ein Straßenkinderprojekt, in dem zwei der fünf Brüder permanent arbeiten. Momentan sind das Br. Gerald und Br. Sabbas. Ich hege Hoffnungen, dass ich nach Weinachten mal für einen Monat dort arbeiten kann, denn das würde mich sehr interessieren. Ich bin jedoch der Meinung, dass dafür mein Kisuaheli noch deutlich besser werden muss.

 

Menschliches

 

In der Brüdergemeinde habe ich mich von Anfang an wohl gefühlt. Ich habe mich sowohl mit den Brüdern und insbesondere auch mit den Novizen schnell sehr gut verstanden. Was ich auch erwähnen möchte ist, dass ich mich auch mit unseren Köchinnen bzw. meinen Kisuahelilehrerinnen sehr gut verstehe. Leider hat Mary uns verlassen, aber unsere neue Köchin Stella ist auch ganz nett. Auch mit den Kindern, die nahezu ununterbrochen an mir kleben, konnte ich mich anfreunden, auch wenn sie mir doch ab und zu wirklich auf die Nerven gehen. Wenn man allerdings in den Ort läuft, so gehört es zum Alltag, dass man gefragt wird:“give me money“,“may I have a mobile“, und die harmlose Variante, „give me my chocolate“. Drastischer wird es in der Großstadt, denn dort gibt es wirklich professionelle Bettler, die einem z.B. ein Rezept (handgeschrieben) von irgendeinem Doktor unter die Nase halten und sagen, sie bräuchten Geld für Medizin. Sagt man dann „Nein“, so setzten sie einen tödlich gekränkten Blick auf und sagen „I understand“. Wenn man hier in Tansania eine weiße Haut hat, so gehen die Leute automatisch davon aus, das man reich ist. Das könnte man nun durchaus für ein Vorurteil halten, was es in gewisser Weise auch ist, da die Europäer, die hier sind, in Europa nicht als reich gelten würden, im Gegenteil. Aber für die hier herrschenden Verhältnisse sind sie, da gibt es gar nichts zu beschönigen, richtig reich. Was die Einheimischen jedoch nie sehen ist, was die Freiwilligen, die hier sind, aufgeben, um hier sein zu können.

Die Armut, die hier teilweise herrscht, ist ein durchaus ernst zu nehmendes Problem. Dieses Problem verursacht Dinge wie Krankheiten durch falsche oder keine Ernährung, durch kein sauberes Wasser und nicht vorhandene hygienische Standards. Diese Dinge sind zwar auf den Sandstraßen von Mabilioni deutlich zu sehen, jedoch war ich bisher noch nicht direkt damit konfrontiert.

Auf der anderen Seite ist es mir auch wichtig zu sagen, dass die meisten Menschen, die ich hier sehe, lachen und glücklich sind. Sie leben sehr naturverbunden, was ich persönlich sehr schön finde. Allerdings bringt die Kultur hier eindeutig ein anderes Verständnis von zwischenmenschlichen Beziehungen. So ist man überall, wo man vorgestellt wird, sofort ein Freund und wird zu den Leuten nach Hause eingeladen. Jedoch bestehen die meisten Gespräche aus Smalltalk und ich habe eine tiefere Freundschaft, wie ich sie aus Deutschland kenne, noch nicht erlebt. Ich möchte aber nicht sagen, dass ich jetzt schon in der Lage wäre zu beurteilen, dass es eine solche Freundschaft in dieser Kultur nicht gibt. Sicher ist jedoch, dass ich die Menschen hier mit ihren unendlichen Begrüßungsfloskeln als ein wenig oberflächlich bezeichne, wenn auch vielleicht nur mir gegenüber. Hier ist alles sehr offen, so leben z.B. die Menschen weniger in ihren Häusern als vor ihren Häusern. Das rechtfertigt durchaus eine gewisse Oberflächlichkeit als einen Schutz der Privatsphäre. Abschließend möchte ich einfach noch einen Gedanken in den Raum stellen. Im Vergleich zu Europa empfinde ich die Menschen hier als sehr viel glücklicher. Was wiegt nun mehr, die nahezu vollkommen garantierte körperliche Unversehrtheit oder das Glück?

 

Zu mir selbst

 

Ich lebe hier wesentlich bescheidener als in Deutschland und versuche mich nach einheimischem Maß auf ca. 50€ im Monat zu beschränken. Bisher ist mir das auch gut gelungen, obwohl ich Dinge wie Internet und Handy bezahle. Allerdings habe ich natürlich in diesen Preis die 50€, die ich monatlich für Essen und Logis bezahlen muss, nicht mit eingerechnet. Mein Zimmer ist zwar nicht so richtig groß, aber mit einem Bett, einem kleinen Tisch und einem Schrank, der Türen hat, bietet es alles, was ich brauche. Auch das Büro der Brüder kann ich nutzen und das mache ich auch für alles, was ich so schreiben muss.

Manchmal träume ich selbstverständlich von so einem richtig großen Nutellaglas oder von anderem Essbaren. Jedoch finde ich, die Früchte, die es hier gibt, sind ein sehr guter und durchaus vernünftiger Ersatz. Gerade in den ersten zehn Tagen musste ich mich schon an das kleine Zimmer mit dem kleinen Bett, das Essen und das Klima gewöhnen, aber wenn man daran denkt, wie extrem die Umstellung eigentlich ist, so sind zehn Tage wirklich keine lange Zeit. Inzwischen bin ich vollkommen zufrieden mit allem, was ich hier habe. Außerdem genieße ich die Freiheit, die ich hier habe.